30.01.2025
Interview mit der Kampagne AfD-Verbot Jetzt!
chronik.LE: Über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren wird schon seit einiger Zeit gesprochen. Eure Kampagne ist im Juni 2024 in die Öffentlichkeit getreten. Warum braucht es gerade jetzt diese Kampagne aus der Zivilgesellschaft?
AfD-Verbot Jetzt!: Das Bündnis hat sich im Anschluss an die Berichterstattung von Correctiv im Frühjahr 2024 gebildet. Im Juni haben die Wahlen zum Europaparlament noch einmal deutlich gezeigt, wie dringlich es ist, die Bedrohung durch die AfD ernst zu nehmen. Das Bündnis ist aber keine Reaktion auf die Europawahl. Die Forderung nach einem Verbot der Partei liegt vielmehr in den Zielen und Inhalten der AfD begründet: Die AfD teilt Menschen nach rassistischen, nationalvölkischen Kriterien ein, in Menschen mit Rechten und Menschen, die sie abschieben will. Sie schürt Hass und Rassismus und legitimiert damit Gewalt. Damit ist sie eine konkrete Gefahr für die Menschen in diesem Land. Rechte Gewalt nimmt immer weiter zu. Das haben wir in den letzten Jahren etwa durch Anschläge wie in Halle und Hanau gesehen.
Wir haben auch gesehen, dass die Warnungen, Aktionen und Demonstrationen gegen die AfD in den letzten Jahren nur wenig gebracht haben. In der gleichen Zeit hat sich die AfD mehr und mehr zu einer von faschistischen Kräften dominierten Partei entwickelt. Nicht zuletzt durch die Correctiv-Recherchen ist dann ein weiteres Mal deutlich geworden, dass die AfD auch mit rechtsradikalen, menschenverachtenden Kräften zusammenarbeitet. Das hat uns abermals mit Dringlichkeit gezeigt: Wir müssen jetzt etwas gegen diese Partei tun. Am sinnvollsten schien uns ein Parteiverbot: Die AfD muss verboten werden. Die Forderung wurde in letzter Zeit immer wieder laut, gleichzeitig ist bisher nichts passiert. Wir haben uns als Bündnis gegründet, um den Druck auf die Einleitung eines Verbotsverfahrens aus der kritischen Zivilgesellschaft zu erhöhen.
Warum kann man das Verbotsverfahren nicht einfach der Politik und der Justiz überlassen? Was sind Eure strategischen Ziele?
Eine Antragsstellung durch die Zivilgesellschaft sieht das geltende Recht nicht vor. Insofern liegt das konkrete Verbotsverfahren ohnehin bei den antragsberechtigten Gremien – also im Bundestag, im Bundesrat oder der Bundesregierung und später beim Bundesverfassungsgericht.Als Bündnis aber finden wir, dass ebendiese Gremien viel zu zurückhaltend sind. Gerade im Bundestag gibt es vielfältige Vorbehalte und teilweise schlicht machtpolitische Motive, weshalb einzelne Akteur*innen die Einleitung des Verbotsverfahrens nicht vorantreiben. Es gibt aber gleichzeitig in allen demokratischen Parteien Menschen, die sich für ein Verbot aussprechen.
Wir wollen nicht abwarten, bis hinter verschlossenen Türen zu Ende debattiert wird – und wir wollen es nicht dem Zufall oder parteipolitischen Kalkülen überlassen, ob ein Verbotsantrag gestellt wird oder nicht. Das Verbot ist eine politische Zuspitzung. Das ist gewollt. Denn es geht darum, deutlich zu machen, dass die AfD keine demokratische Partnerin im Parlament ist. Sie ist auch keine Protestpartei. Sie verfolgt menschenverachtende Ziele und will einen faschistischen Umbau der Gesellschaft erreichen. Warum sollten wir einer Partei, die Menschen angreift, dafür auch noch staatliches Geld zur Verfügung stellen?
Diese Ausgabe der Leipziger Zustände erscheint Anfang 2025. Bis dahin wissen wir vermutlich, ob der Bundestag über den Verbotsantrag entschieden hat. Wie geht es dann weiter, wie kann das Verbotsverfahren in den kommenden Monaten und Jahren von außerparlamentarischen Akteur*innen unterstützt werden?
Die Einleitung des Verbotsverfahrens ist nur ein erster Schritt. Es wird Aufgabe der Zivilgesellschaft sein, darunter auch unserer Kampagne, das Verfahren bis zur Eröffnung und darüber hinaus zu begleiten. Konkret wird das bedeuten, die Öffentlichkeit zu informieren und vor allem die mediale Selbstinszenierung der AfD zu entzaubern. Es ist unverzichtbar, dass auch während des Verfahrens und bis zum Urteil die relevanten politischen Akteur*innen durch öffentliche und mediale Kritik spüren, dass die AfD als Koalitionspartnerin absolut ausgeschlossen werden muss und dass das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, um Verfassungsfeinde davon abzuhalten, Institutionen und politische Ämter zu übernehmen.
Auch die Auseinandersetzung um die Herzen und Köpfe der Bevölkerung bleibt während des Verfahrens natürlich aktuell: Als Kampagne wollen wir auch die zivilgesellschaftliche Brandmauer aufbauen und der AfD auch im Alltag die Räume nehmen – in Diskussionen ebenso wie auf der Straße. Damit wollen wir zeigen, dass diese Partei keine Alternative ist und keine Lösung für die gesellschaftlichen Krisen hat. Es geht also auch darum, eine breit getragene antifaschistische Bewegung zu mobilisieren, deren erste Forderung das Verbot der AfD ist.
Die Partei hat vergangenes Jahr bei den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern über 30 Prozent erhalten. In fast allen Kreistagen und anderen kommunalen Parlamenten stellt die AfD in Sachsen inzwischen die stärkste Fraktion. Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht eine solche Partei tatsächlich verbietet? Und was, wenn nicht?
Sobald die AfD verboten ist, liegt es an den demokratischen Parteien und den staatlichen Institutionen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuordnen und etwa durch die Innenbehörden umzusetzen. Besonders letzteres wird natürlich ein Belastungstest werden, denn die rund ein Drittel der Menschen in Sachsen sind ja auch Teil der Polizei- und Ordnungsbehörden, die dann zum Vollzug der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berufen sind.
Sollte die AfD nicht verboten werden, dann kann das viele Gründe haben. Ein mögliches Szenario ist, dass bereits das Verbotsverfahren dazu führt, dass die extrem rechten Kräfte aus der Partei gedrängt werden oder dass es zu ähnlichen Bedeutungsverlusten kommt wie bei der NPD. Das Bundesverfassungsgericht könnte daraufhin feststellen, dass der verfassungsfeindliche Rest der AfD gar nicht mehr genug Relevanz hat, um die formulierten Ziele auch umzusetzen, und deshalb vom Verbot absehen. In diesem Fall wäre der Rest der AfD verfassungswidrig, aber unbedeutend, und würde von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen. So ist es auch im zweiten NPD-Verfahren geschehen. Für uns sind diese Überlegungen Bestätigung dafür, dass die Einleitung und Durchführung des Verbotsverfahrens das Gebot der Stunde sind.
Selbst mit einem AfD-Verbot verschwinden die rassistischen und autoritären Einstellungen der bisherigen AfD-Wähler*innen nicht. Dieses Potenzial wird sicher gern von anderen Parteien aufgegriffen. Gerät das durch ein Verbotsverfahren nicht aus dem Blick?
Einer der häufigsten Einwände gegen ein AfD-Verbot ist, dass es die von euch genannten Einstellungen nicht verschwinden lässt. Darum geht es uns mit einem Parteiverbot auch nicht. Die Funktion eines Parteienverbots ist es, konkrete und organisierte Verfassungsfeinde davon abzuhalten, ihre Ziele durch Übernahme staatlicher Institutionen zu erreichen. Das Parteienverbotsverfahren ist weder ein Meinungs- noch ein Denkverbot.
Das Verbot würde aber ein grelles Licht auf die Menschenfeindlichkeit, den Rassismus, die Demokratiefeindlichkeit und die hetzerische Ideologie der AfD werfen. Es würde der Partei ihre Strukturen vor Ort sowie die finanzielle und praktische Basis entziehen. Denjenigen, die sich ohnehin und weiterhin für ein tolerantes und demokratisches Miteinander vor Ort einsetzen, würde es den Raum zum Atmen, Handeln und Wirken zurückgegeben.
Es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen rassistische Einstellungen zu arbeiten. Es ist bereits heute Aufgabe aller demokratischen Parteien, all jenen Menschen, die durch den Populismus und die Hetze der AfD mitgerissen wurden, Antworten zu geben. Diese Aufgabe nehmen sie derzeit nicht wahr. Vielmehr übernehmen sie teilweise Forderungen der AfD. Mit der Einleitung des Verbotsverfahrens wird aber sichtbar, was der Kern dieser Forderungen ist: eine menschenverachtende Politik, die gegen die Menschenwürde verstößt. Das Verbotsverfahren kann also insgesamt ein Stoppschild gegen die weitere Rechtsverschiebung sein.
Die Kampagne AfD-Verbot Jetzt! setzt sich aus zivilgesellschaftlicher Perspektive für ein Verbot der AfD ein.
Zuletzt aktualisiert am 30.01.2025