Femizide in Leipzig. Ein unvollständiger Überblick (Stand 09/2025)

18.09.2025

Content Warnung: In diesem Text wird über Gewalttaten und Mord berichtet und teilweise explizit geschildert.

Femizide sind keine Beziehungstragödien oder Tötungen.[1] Die männlichen Täter eint ein patriarchaler Besitzanspruch und eine Erwartung an die sogenannte weibliche Rolle. Die Täter sprechen den Betroffenen[2] die Freiheit ab, ihre Rolle in der Gesellschaft selbstbestimmt zu definieren, und antworten mit Hass und Gewalt gegen jeden Versuch, sich ihnen zu widersetzen. Entsprechend handelt es sich um geschlechterspezifische Gewalt, in diesen Fällen: Mord.[3]

Wir wollen mit diesem Artikel an alle ermordeten Frauen erinnern und sie sichtbar machen. Wir wollen, dass es möglich ist zu verstehen, worum es sich bei Femiziden handelt. Es ist wichtig, dass die ermordeten Frauen bekannt und Teil des Diskurses bleiben. Und dies gelingt uns nur, wenn wir ihre Geschichte weitererzählen, die Absurdität der Motive wiedergeben und die Abfolge der Taten abzeichnen. Dazu werden im Folgenden die Ermordeten benannt sowie die Taten und Motive geschildert. So kann die Banalität der Morde dargestellt werden und es wird verdeutlicht, warum diese Morde als Femizide einzuordnen sind. Zusätzlich zur content note möchten wir darauf hinweisen, dass in den folgenden Absätzen Mord und antifeministische Motive wiedergegeben und explizit genannt werden. Dies kann für Leser*innen schwer zu ertragen sein.

In Leipzig arbeitet die Gruppe #keineMehr Leipzig seit 2020 zu Femiziden.[4] Der folgende Überblick basiert wesentlich auf Recherchen der Gruppe, ein vertiefender Beitrag dazu erschien im März 2022 auf der Webseite von #keineMehr Leipzig.[5] Die Fallschilderungen wurden übernommen, leicht angepasst, gekürzt sowie um weitere Fälle ergänzt.

Annett S. wurde nur 21 Jahre alt. Ende Januar / Anfang Februar 2011 wurde sie von ihrem Partner in deren gemeinsamer Wohnung in Kleinzschocher erdrosselt. Annett S. hatte sich weiterhin mit ihrem Ex-Partner getroffen, dies wollte der Täter nicht akzeptieren. Er erhielt wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Yvonne H. wurde nur 31 Jahre alt. Am 23.09.2011 wurde sie von ihrem Partner in deren gemeinsamer Wohnung in Plagwitz durch 14 Messerstiche verletzt und anschließend erwürgt. Er warf ihr angeblichen Kontakt zu ihrem früheren Drogendealer vor. Der Täter erhielt wegen Mordes und besonderer Schwere der Schuld eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Franziska S. wurde nur 25 Jahre alt. Am 09.11.2011 wurde sie im Treppenhaus im Studierendenwohnheim in Lößnig von einem flüchtigen Bekannten erschlagen. Den Täter kannte Franziska S. nur aus dem Studierendenwohnheim, sie hatte kaum Kontakt zu ihm. Franziska S. reagierte abweisend auf seine sexualisierten Übergriffe und Belästigungen. Deswegen brachte er sie um. Franziska S. wurde durch den Täter im Vorfeld gestalkt. Der Täter erhielt wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Nicole K. wurde nur 25 Jahre alt. Am 25.08.2015 wurde sie von ihrem Ex-Partner in ihrer Wohnung in Eutritzsch mit elf Messerstichen ermordet. Sie hatte sich von ihm getrennt, er sah es nicht ein. Der Täter stalkte Nicole K. und hielt sich nicht an ein Kontaktverbot. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Ngoc Duyen T. wurde nur 34 Jahre alt. Am 02.09.2015 wurde sie von ihrem Ehemann in deren gemeinsamer Wohnung in Gohlis erstochen. Ngoc Duyen T. wollte sich scheiden lassen. Der Täter wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Maria D. wurde nur 43 Jahre alt. Am 09.04.2016 wurde sie in der Wohnung des Täters in Lindenau von diesem erwürgt und ihre Leiche später zerstückelt. Maria D. lernte den Mörder am Abend zuvor in einer Kneipe kennen. In der Wohnung vergewaltigte der Täter Maria D. und tötete sie anschließend. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Anja B. wurde nur 40 Jahre alt. Am 29.11.2016 wurde sie in der Wohnung des Täters in der Lindenau von diesem erwürgt und ihre Leiche später zerstückelt. Anja B. wurde von demselben Mann ermordet wie auch Maria D. zuvor. Anja B. lernte ihren späteren Mörder ebenfalls am Abend zuvor in einer Kneipe kennen. Sie wies die Belästigungen und sexualisierten Übergriffe des Täters zurück. Deswegen tötete er sie. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Später wurde das Urteil bei diesem Mord auf Totschlag abgeändert und eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren festgesetzt.

Mahin R. wurde nur 34 Jahre alt. Am 11.08.2017 wurde sie von ihrem Ehemann in deren gemeinsamer Wohnung in Altlindenau erstochen. Sie war im achten Monat schwanger. Er nahm an, Mahin R. habe eine außereheliche Affäre, dies war sein Motiv. Bereits vor der Tat kündigte der Täter mehrmals an, sie töten zu wollen. Sie kam zeitweise in einer Schutzeinrichtung unter. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Da keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, könnte der Täter nach 15 Jahren freikommen.

Sophia L. wurde nur 28 Jahre alt. Am 14.06.2018 wurde sie beim Trampen von einem Lkw-Fahrer mitgenommen und kam nicht am Zielort an. Der Lkw-Fahrer ermordete Sophia L. Sie wies ihn ab, als er sich ihr sexuell nähern wollte. Der Täter wollte die Abweisung nicht akzeptieren, weshalb er Sophia L. mit einem eisernen Radmutternschlüssel mehrmals auf den Kopf schlug. Sophia L. lebte nach dem ersten Angriff noch; der Täter ermordete sie in Frankreich und verbrannte ihre Leiche später in Spanien. Der Täter wurde wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Nicole Z. wurde nur 25 Jahre alt. Am 15.03.2020 wurde sie im Zentrum Ost von einem Unbekannten ermordet. Nicole Z. war obdachlos. Im März 2021 hieß es in Medienberichten, dass gegen einen 20-jährigen Mann ermittelt werde, seither gab es keine weiteren Berichte. Aufgrund der massiven Gewalt gegen ihren Kopf und ihr Gesicht wurde über eine Tat durch einen (Ex-)Partner spekuliert. Jedoch muss es kein (Ex-) Partner gewesen sein; der Mord kann auch außerhalb einer (Ex-)Partnerschaft stattgefunden haben und ein Femizid sein.

Myriam Z. wurde nur 37 Jahre alt. Am 08.04.2020 wurde sie von ihrem Ex-Partner in Connewitz in Anwesenheit ihres Kindes mit einem Hammer erschlagen. Der Mann lauerte ihr beim Spazierengehen auf und griff sie an. Das zwei Monate alte Kind von Myriam Z. blieb unverletzt. Sie hatte vorher gegen ihn ein Annäherungsverbot erwirkt. Der Täter wurde wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Katja U. wurde nur 52 Jahre alt. Am 19.11.2021 wurde sie tot in der gemeinsam mit ihrem Partner bewohnten Wohnung in der Südvorstadt gefunden. Auch ihr Partner war tot. In Presseberichten hieß es, der Mann habe einen Abschiedsbrief hinterlassen. Zudem gingen „Ermittler nicht davon aus, dass auch die Frau freiwillig aus dem Leben schied“.

Dorin V. wurde nur 43 Jahre alt. Am 28.12.2021 wurde sie von ihrem Ex-Partner in ihrer Wohnung in Lindenau getötet. Nachdem sich Dorin V. mehr Abstand von ihm erbeten hatte, stellte ihr Ex-Partner ihr immer wieder nach. Wenige Tage vor der Tat wurde der Täter betrunken mit Brennpaste, Seil, Messer, Klebeband, Terpentin und Sturmhaube von der Polizei aufgegriffen.

Malina N. wurde nur 31 Jahre alt. Am 8. November 2022 wird die zweifache Mutter in einem Hotel in Sellerhausen von einem 42-jährigen Mann mit mehreren Messerstichen getötet. Der Täter wollte eine Beziehung mit Malina N. führen. Er wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Jessica S. wurde nur 30 Jahre alt. Am 20.05.2024 wird sie durch ihren Partner umgebracht. Beide lebten zum Zeitpunkt der Tat in einer gemeinsamen Wohnung in Paunsdorf und führten seit acht Jahren eine Beziehung. Jessica S. wollte sich trennen und gemeinsam mit den beiden Kindern ausziehen. Der Täter wird von einer Freundin von Jessica S. als „krankhaft eifersüchtig“ beschrieben, er habe sie psychisch manipuliert und faktisch eingesperrt. Er wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Susann K. wird nur 42 Jahre alt. Am 18.08.2025 wird sie von ihrem Expartner getötet und der gemeinsame 10-jährige Sohn schwer verletzt. Der Täter griff beide mit einem Messer an, Susann K. verstarb im Krankenhaus an den Verletzungen. Gegen den Täter wird wegen Mordes und versuchten Mordes ermittelt.

Es gibt Bestreben, Femizide juristisch anklagbar zu machen, und Initiativen, die dafür kämpfen, dass Femizid als strafschärfendes Merkmal im Mordparagrafen 211 aufgenommen wird. Mehr dazu ist unter frauenrechte.de oder unter keinemehr.wordpress.com zu finden.

Fußnoten

[1] Zur Begrifflichkeit Femizid und der rassistischen Externalisierung geschlechtsspezifischer Gewalt vgl. Shibata, Naomi/Kirsch, Lena (2019): Einzelfall, tragisches Schicksal oder selbst Schuld? in: chronik.LE (Hrsg.): Leipziger Zustände 2019, S. 40 – 42.

[2] Von Femiziden betroffene Menschen werden weiblich gelesen, ordnen sich aber nicht zwangsläufig selbst so ein.

[3] Zur Diskussion und juristischen Aufarbeitung von Femiziden in Leipzig vgl. #keineMehr Leipzig (2021): Der letzte Wille der Frau. In: chronik.LE (Hrsg.): Leipziger Zustände 2021, Leipzig: Engagierte Wissenschaft, S. 56 – 59.

[4] #keineMehr Leipzig: Über uns, online abrufbar unter: https://keinemehrleipzig.noblogs.org.

[5] Der Ausgangstext „Wir gedenken …“ ist online abrufbar unter: https://keinemehrleipzig.noblogs.org.

Zuletzt aktualisiert am 25.09.2025