04.02.2011
Pressemitteilung und Dossier des Projekts chronik.LE, Leipzig, 4. Februar 2011
Die sächsische Staatsregierung hat im Landtag eine Einschätzung zum Nazi-Zentrum in Leipzig-Lindenau abgegeben. Diese offizielle Darstellung ist mit groben Fehlern behaftet und nimmt unzutreffende Bewertungen vor. Wir erlauben uns, die verkehrte Einschätzung des Innenministers Ulbig mit den Fakten zu konfrontieren:
Am 5. Januar 2011 reichte MdL Kerstin Köditz (Fraktion Die Linke) eine Kleine Anfrage an die sächsische Staatsregierung ein (Drs. 5/4628). Unter Frage 1 wollte Frau Köditz wissen, „welche Veranstaltungen welcher Organisatoren mit welchen Referenten oder Künstlern“ bisher im NPD-Zentrum in der Leipziger Odermannstraße 8 stattgefunden hätten.
Mit Datum vom 26. Januar 2011 beantwortete Innenminister Markus Ulbig (CDU) namens der sächsischen Staatsregierung diese Frage in Form einer tabellarischen Auflistung (siehe angehangene Tabelle), die zwölf Einträge umfasst. Diese Auflistung ist jedoch unvollständig: Im betrachteten Zeitraum sind mindestens acht weitere relevante Veranstaltungen in der Odermannstraße 8 belegt, die seitens der Staatsregierung nicht aufgeführt werden. Diese unterschlagenen Veranstaltungen sind in der angehangenen Tabelle nachgetragen und gelb markiert.
Zudem ist die von der Staatsregierung vorgelegte Auflistung unspezifisch hinsichtlich der Angabe der VeranstalterInnen. Diese Angaben sind grob irreführend, sofern zwischen NPD, JN und „Rechtsextremisten“ unterschieden wird. Eine solche Unterscheidung ist zum einen gegenstandslos, weil in Veröffentlichungen des von Ulbig geführten Innenministeriums sowie des Landesamtes für Verfassungsschutz sowohl NPD als auch JN ebenfalls als „Rechtsextremisten“ klassifiziert werden. Zum anderen sind mit „Rechtsextremisten“ hier offenbar „Freie Kräfte“ gemeint, die im „Aktionsbündnis Leipzig“ organisiert sind. Dieses „Aktionsbündnis“ ist jedoch personenidentisch mit der Leipziger JN.
Weiterhin berichtete am 3. Februar 2011 die Leipziger Internet-Zeitung (L-IZ) unter der Überschrift „Ein paar Partys zu viel: Verstöße gegen Baugenehmigung könnten zur Schließung des Leipziger NPD-Zentrums führen“, dass eine Nutzung der Odermannstraße 8 für öffentliche Veranstaltungen formalrechtlich nicht zulässig sei – und entsprechende Veranstaltungen damit illegal wären. Tatsächlich ergibt sich aus der angehangenen Aufstellung, dass es sich bei mehr als der Hälfte der stattgefundenden Veranstaltungen um öffentliche Veranstaltungen gehandelt hat. Laut L-IZ habe aber insbesondere für solche genehmigungspflichtigen Konzerte keine entsprechende Genehmigung vorgelegen.
Laut Darstellung der L-IZ ist eine Nutzung des Flachbaus in der Odermannstraße 8 für maximal 100 Personen zulässig. Aus der Aufstellung ergibt sich, dass diese Grenze mehrfach deutlich überschritten worden ist. Demgegenüber behauptet Ulbig, dass „baurechtliche Vorgaben und Auflagen des Bauordnungsamtes“ überhaupt nicht existieren würden. Auch seien dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege „zu keinem Zeitpunkt Veranstaltungen in dem Objekt Odermannstraße 8“ bekannt gewesen, „bei denen die Bauaufsichtsbehörde hätte tätig werden müssen“ – die Nutzung der Odermannstraße 8 habe also laut Ansicht der Landes-regierung nicht „gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen“.
Allerdings ist nachweisbar, dass eine Reihe von Veranstaltungen öffentlich beworben und bei einigen Veranstaltungen mutmaßlich Eintrittsgelder erhoben worden sind (in der Tabelle rot gekennzeichnet und im Anhang mit einem Beispiel belegt). Bei diesen Veranstaltungen handelt es sich demnach um öffentliche Veranstaltungen, denen zudem Gewerbsmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden müssen. Solche Veranstaltungen sind genehmigungspflichtig. Ulbigs Behauptung, dass ein „bauaufsichtliches Einschreiten“ nicht nötig gewesen sei, ist daher nicht zutreffend.
Weitere Details entnehmen Sie bitte dem angehangenen Dokument.
Zuletzt aktualisiert am 05.02.2022