30.03.2011
Zwischen erklärten Neonazis und Konservativen ist noch Platz: Das hoffen zumindest Parteien und Bewegungen, die mangels eines besseren Begriffs häufig als »Rechtspopulisten« bezeichnet werden. Dazu zählt etwa die im vergangenen Jahr von dem ehemaligen Berliner CDU-Politiker René Stadtkewitz gegründete Partei »Die Freiheit«, die sich an der niederländischen »Partij voor de Vrijheid« des islamfeindlichen Politikers Geert Wilders orientiert. Wegen einer Veranstaltung mit Wilders, der sich derzeit wegen seiner Anti-Muslim-Hetze vor einem niederländischen Gericht verantworten muss, wurde Stadtkewitz, der auch der islamfeindlichen »Bürgerbewegung Pax-Europa« angehört, im September 2010 aus der CDU-Fraktion im Senat ausgeschlosssen.
Am 17. Januar fand in einer Gaststätte in Eutritzsch eine erste Infoveranstaltung der »Freiheit« in Leipzig statt, an der nach Parteiangaben über 50 Interessierte teilgenommen haben. Laut dem Bericht unter der Überschrift »Sachsen rockt« sprach Bundesvorstandsmitglied Felix Strüning dabei unter anderem über die von der Partei ausgemachten »Integrationsprobleme«, vor allem die »Gefahr einer undifferenzierten Betrachtung des Islams«. Man solle zwischen »gut integrierten ›Kulturmuslimen‹ und der ideologischen Komponente des politischen Islams« unterscheiden.
Dieser Problematik geht der Jungpolitiker auch in seiner Dissertation zum Thema »Bürgerliche Islamkritik« nach. Dass er die Veranstaltung in Leipzig bestritt, war kein Zufall. Im Wintersemester 2010/11 war Strüning Lehrbeauftrager am Institut für praktische Theologie, Abteilung Religionssoziologie, an der Universität Leipzig und gab dort ein Seminar mit dem Titel »Zwischen Islamophobie und Kulturrelativismus – Der Islam in den Augen der Deutschen«.
Inzwischen haben zwei weitere Regionaltreffen der »Freiheit« in Leipzig stattgefunden, an denen jedoch nur noch zehn Personen teilnahmen. Auch in Dresden, Chemnitz und Döbeln soll es Regionalgruppen der selbst ernannten »Bürgerrechtspartei« geben.
In ähnlichen Gewässern möchte die »Bürgerbewegung pro Sachsen« fischen, die am 5. Februar 2010 in Kamenz gegründet wurde. Dazu haben sich das »Bündnis Arbeit – Familie – Vaterland« des aus der CDU augeschlossenen ehemaligen Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche und die Kleinstparteien »Deutsche Soziale Union« (DSU), »Freiheitliche Partei Deutschlands« und »Sächsische Volkspartei« des früheren NPD-Landtagsabgeordneten Mirko Schmidt zusammengeschlossen.
Der DSU-Landesvorsitzende Tobias Keller aus Leipzig erklärte dazu, mit der lange vorbereiteten Gründung des Bündnisses solle das »konservative Lager« in Sachsen geeint werden. Der zum Vorsitzenden von »Pro Sachsen« gewählte Henry Nitzsche bezeichnet die politische Ausrichtung des Zusammenschlusses als rechtskonservativ und nationalkonservativ: »Wichtig sind uns ein starkes Sachsen, die Nation und das deutsche Vaterland.«
Nitzsche war 2006 nach Äußerungen über einen »Schuldkult«, unter dem Deutschland leide, und in Berlin regierende »Multikultischwuchteln« aus der CDU rausgeschmissen worden. Bereits zuvor hatte er verkündet: »Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der Christlich Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht.«. Im Bundestagswahlkampf 2005 hatte er mit der Parole »Arbeit, Familie, Vaterland« für sich geworben, die dem französischen Vichy-Regime im Zweiten Weltkrieg als Wahlspruch gedient hatte und auch von der sächsischen NPD verwendet wird.
Als Vorbild hat sich »Pro Sachsen« unter anderem die ausländerfeindliche »Schweizerische Volkspartei« auserkoren. Deren Parlamentsabgeordneter Oscar Freysinger war bei der Gründungsveranstaltung als Gastredner anwesend. Glückwünsche kamen auch von der »Bürgerbewegung pro NRW« bzw. »Pro Köln«, die bereits Mitte der 90er Jahre von ehemaligen Funktionären der »Republikaner«, der NPD und der »Deutschen Liga für Volk und Heimat« gegründet wurde. Im Jahr 2008 hatte Nitzsche mit einem Transparent mit dem Spruch »Sachsenmut stoppt Moslemflut« an einer Anti-Islam-Kundgebung von »Pro Köln/NRW« teilgenommen.
Die DSU war bis 2009 durch Karl-Heinz Obser im Leipziger Stadtrat vertreten, der sich der CDU-Fraktion angeschlossen hatte. Beim Neujahrsempfang der Partei am 22. Januar nahmen auch die »Bundesvorsitzenden« der »Freiheitlichen Partei Deutschland«, der »Deutschen Partei« und des »Bündnis für Freiheit und Demokratie« (BFD) teil. Das 2010 gegründte BFD stellt einen weiteren Sammlungsversuch im rechten Spektrum dar. Dem sächsischen Landesvorstand gehören mehrere DSU-Mitglieder an, u.a. der DSU-Landesvorsitzende Keller und der frühere Leipziger Stadtrat Obser.
Weiterführende Links:
Dossier „Antimuslimischer Rassismus & rechtspopulistische Organisationen“
Dossier „Was ist Rechtspopulismus?“
Zuletzt aktualisiert am 05.02.2022