12.03.2020
In Taucha fand, organisiert durch die Initiative "Solidarische Alternativen für Taucha" eine Kundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung statt. Wir haben zu dieser einen Redebeitrag zur Situation vor Ort beigesteuert. Alle dokumentierten Ereignisse aus Taucha können hier nachgelesen werden.
"Fuck Antifa", "Antifa töten", "Adolf Hitler Hools" und „Nazi-Kiez“ - dies sind nur einige Slogans und Schmierereien die in der Vergangenheit in Taucha angebracht wurden. Wir, die Gruppe chronik.LE, dokumentieren eben solche Schmierereien sowie allgemein rassistische, faschistische und diskriminierende Ereignisse in Leipzig, dem Landkreis Leipzig und Nordsachsen.
Unserer Einschätzung nach versucht eine Gruppe junger Neonazis seit den letzten zwei Jahren in Taucha gezielt eine „Nazizone“ errichten und damit eine Vorherrschaft im öffentlichen Raum zu erreichen. Dies geschieht sowohl mit sichtbarer Propaganda im Stadtgebiet sowie dem Versuch der Einschüchterung und Bedrohung von politischen Gegner*innen.
Die Graffiti und Sticker beziehen sich zumeist explizit auf den historischen Nationalsozialismus und verherrlichen diesen. Adolf Hitler und Erwin Rommel sind deutlich sichtbar Vorbilder für die lokale Neonaziszene. Dieser Bezug sollte ernst genommen und nicht bagatellisiert werden: Menschen, für die der industrielle und millionenfache Mord ein Vorbild ist müssen ausgegrenzt und bekämpft werden.
Neben Propagandadelikten wurden bereits mehrfach politisch Engagierte bedroht und versucht einzuschüchtern. So erst vor wenigen Tagen: am letzten Sonntag hängen zwei Personen Plakate für die heutige Kundgebung auf. Aus einer Kneipe in der Leipziger Straße werden sie dabei kritisch beäugt. Ein Mann verlässt die Kneipe, mustert die beiden und reißt das Plakat ab und zerstört es. Die beiden haben sich mittlerweile entfernt, der Mann ruft ihnen etwas unverständliches hinterher.
Aus unserer Chronik wird ersichtlich, dass solche Vorfälle keinesfalls Einzelfälle sind. Allein für 2019 haben wir 24 Vorfälle in Taucha dokumentiert, 2020 sind es bereits 7. Ein kurzer Einblick:
09. Januar 2020: Eine Person wird beim überqueren einer Kreuzung von drei Neonazis angepöbelt
12. Januar 2020: An einer Friedhofsmauer wird der verschwörungsideologische und antisemistische Slogan „Feuer und Flamme der NWO“ angebracht.
31. Januar 2020: An eine Kellerwand des Tauchaer Geschwister-Scholl-Gymnasiums wird mit Bleistift der Slogan „Jedem das Sein“ geschrieben. Dieser schmückte das Tor im KZ Buchenwald. Die Namensgeber*innen der Schule, die Geschwister Sophie und Hans Scholl waren waren Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" welche u.a. Flugblätter gegen den Krieg, den Nationalsozialismus und Adolf Hiler verbreiteten. Sie wurden aufgrund ihrer Aktivitäten hingerichtet.
21. Februar 2020: An der Bürgerruhe grölt eine ca. 10-köpfige Gruppe antisemitische Lieder und „Sieg Heil“.
Ebenfalls 21. Februar 2020: In der Badergasse werden neonazistische Schmierereien wie „Fuck Antifa“ und „A H Hools“ angebracht. Dabei steht A H für Adolf Hitler.
Am 01. März 2020 ereignet sich die bereits geschilderte Bedrohung.
02. März 2020: im Tauchaer Stadtgebiet werden Sticker der Neonazi-Gruppe „Junge Revolution“ angebracht. Diese tauchten einige Tage vorher im Leipziger Westen auf und waren mit Rasierklingen präpariert.
Die bei uns dokumentierten Vorfälle zeigen, dass die Taucher Neonaziszene aktiv und lokal verankert ist. Die mittels Graffiti und Aufkleber propagierten Ziele werden versucht umzusetzen indem politische Gegner*innen das Leben in Taucha vermießt werden soll. Allen diesen Botschaften und Taten ist gemein, dass sie sich offen und gewaltvoll gegen unsere plurale Gesellschaft richten.
Umso erfreulicher ist es, dass es vor Ort eine Vielzahl von Menschen gibt welche sich an Neonazis, deren Propaganda und Auftreten stören. Unser besonderer Dank geht dabei an die „Solidarische Alternative für Taucha“, kurz SAfT. Die Initiative hat bereits mehrere Veranstaltungen, darunter ein Fest auf dem Tauchaer Marktplatz im letzten Jahr organisiert. Auf diesem tauchte übrigens der lokale AfD-Stadtrat Klaus Hoffmann auf und provoziert. Als er von der Veranstaltung verwiesen wird versucht er später diese von seinem Auto aus zu photographieren. Eben dieser Stadtrat organisiert heute die Veranstaltung mit Chrupalla, Boehringer und Moosdorf in der Grundschule hier nebenan.
Zum Schluss noch eine Bitte in eigener Sache: wir sind immer auf Hinweise und Zuarbeiten für unsere Chronik angewiesen. Meldet uns diskriminierende Vorfälle und neonazistische Aktivitäten. Sowohl wenn ihr direkt davon betroffen seid als auch wenn ihr Zeug*innen davon wurdet. Es gibt dabei keine zu unwichtigen, zu alltäglichen Erlebnisse: auch das neue Hakenkreuz an der Bushaltestelle oder der rassistische Spruch in der Straßenbahn sind für uns dokumentierenswert.
Zuletzt aktualisiert am 12.03.2020