12.02.2009
Dieses Dossier beschäftigt sich mit der Leipziger Neonazi-Gruppierung "Freie Kräfte" (FKL).
Die "Freien Kräfte Leipzig" existieren mindestens seit Anfang 2007. Damals überfiel eine Gruppe gewalttätiger Neonazis eine Info-Veranstaltung zu Nazi-Aktivitäten in Plagwitz im Kino Cineding.
Die "Freien Kräfte" sind keine "klassische" Neonazi-Kameradschaft. Sie organisieren sich lockerer, die Vorzüge moderner Kommunikationsmittel machen dies möglich. Verschiedene Aktionsformen, die Übernahme von Codes und Styles moderner Jugendkultur, machen die "Freien Kräfte" für Jugendliche attraktiver und entsprechen eher dem urbanen Umfeld. Die Neonazis führten ein Straßentheater durch, verteilen Propagandamaterial zu bestimmten Themen an Leipziger BürgerInnen, sind jedenfalls in ihrem Auftreten flexibel, oder - wie sie gern bekunden - "kreativ".
Die gewählten, akzeptierten oder übernommenen, Szenecodes, Kleidungsstile und vor allem Aktionsformen unterscheiden die "Freien Kräfte" von eher im ländlichen Raum auftretenden, "klassischen" Kameradschaften.
Die "Freien Kräfte Leipzig" greifen dabei auf Verbindungen in die verschiedenen Szenen zurück. Letzlich sind die "Freien Kräfte" nicht als fester Personenverbund mit klarer Hierarchie zu begreifen, sondern als eher lockere, anlassbezogen arbeitende Organisationsform mit einem aktiveren organisatorischen (und durchaus hierarchischen) Kern.
Nachdem der Hamburger Neonazi Christian Worch am 21.7.20071 nach internen Querelen mit gerademal 37 Getreuen durch Leipzig marschierte, zog er seine bis 2014 angemeldeten Aufmärsche zum 1. Mai und 3. Oktober in Leipzig zurück. Die "Freien Kräfte Leipzig" sprangen bereitwillig in die entstandene Lücke. In der jüngsten Vergangenheit organisierten sie zahlreiche Aufmärsche. Anders als nach Worchs Konzept mobilisieren die "Freien Kräfte Leipzig" aber nicht für wenige "große", überregionale Aufmärsche, sondern für zahlreiche kleinere, oft mit Neonazigruppierungen aus der näheren Umgebung.
Die "Freien Kräfte Leipzig" geben sich modern und sozial. Doch ihre Gesinnung ist recht unverholen neonazistisch. Das ist leicht anhand ihrer Texte nachzuweisen, drei davon liegen einer Auswertung des chronik.LE-Teams zugrunde. Sonst bleiben sie intellektuell unauffällig, zeigen ihre "national-sozialistische" Ader gegenüber nichtrechten Menschen eher handfest - ihre neonazistische Ideologie bedeutet Gewalt, wie zahlreiche Ereignisse2 zeigen.
Der Eigenname "Freie Kräfte" soll eigentlich darauf verweisen, dass die Gruppe unabhängig von der NPD oder anderen rechten Parteien agiert. Davon kann aber zumindest in Leipzig kaum noch gesprochen werden.
Es gibt personelle und organisatorische Überschneidungen mit den Leipziger Jungen Nationaldemokraten (JN), der Nachwuchsorganisation der neonazistischen NPD. Der Leipziger JN-Stützpunkt wurde im April 2008 gegründet, Tommy N., führendes Mitglied der Freien Kräfte und Anmelder zahlreicher Aufmärsche, wurde "Stützpunktleiter". Zu den Gründungsmitgliedern der Leipziger JN gehörten vor allem FKL'er.
Inzwischen gibt das im Oktober 2008 eröffnete NPD-Zentrum in Lindenau dem Neonazi-Nachwuchs eine Heimstätte für ihre Aktivitäten. Dies führt zu gesteigerten Neonaziaktivitäten, Propaganda- und Gewalttaten, in Lindenau, .
Damit einher geht eine (Partei-)Disziplinierung der "Freien Kräfte", dafür werden Personen aus dem Umfeld der Gruppierung mit Posten und Funktionen bedacht. Prominentes Beispiel ist Maik Scheffler, Delitzscher Akteur der "Freien Kräfte", inzwischen Wahlorganisationsleiter für den Raum Leipzig und NPD-Bundestagskandidat. Scheffler organisierte ein Rededuell zwischen den Kandidaten auf den Bundesparteivorsitz, Udo Voigt und Udo Pastörs. Auf der Veranstaltung im März 2009 hielt er selbst einen Vortrag, in dem er "Arbeit auf gleicher Augenhöhe" forderte. Die "Freien Kräfte" versuchen, sich als politischer Akteur innerhalb der NPD unentbehrlich zu machen, und verbinden damit den Anspruch, ihre Inhalte in die Partei zu tragen. Auch Posten und KandidatInnenplätze werden offensiv beansprucht.
In Leipzig gibt es enge Zusammenhänge zwischen der Fußballfanszene und den "Freien Kräften". Vor allem Anhänger der Hooligan-Gruppierung "Blue Caps" bekennen sich offen zu ihrer nationalsozialistischen Gesinnung. Sie beteiligen sich als Gruppe nicht nur an neonazistischen Aufmärschen, sondern rufen auf ihrer Internetseite sogar zur Teilnahme auf. Sie übernehmen Ordnertätigkeiten und den mitunter gewalttätigen Wachschutz am NPD-Zentrum.
Die Freien Kräfte Leipzig sind eine lokale Neonazigruppierung, welche überregional mit anderen Kameradschaften und Gruppierungen zusammen arbeitet. Dafür nutzen sie die Vorzüge des Internets. Der Leipziger Ableger der neonazistischen Onlineplattform "Freies Netz" kann als ihr Verlautbarungs- und Propagandainstrument begriffen werden und dient ihnen als Kommunikationsmedium.
Zuletzt aktualisiert am 10.10.2009